Gedanken zur Firmen-Ethik
Zur normativ-kritischen Kompetenz philosophischer Ethik
Gesellschaftlicher Nutzen
Über den gesellschaftlichen Nutzen der psychologischen Forschung läßt sich sicherlich nicht ohne weiteres eine Einigkeit erzielen. Manche Bereiche der psychologischen Forschung mögen sozial förderlich , andere sozial schädlich, wieder andere sozial indifferent sein. Überdies gehört es zur Erforschung ganz neuer Bereiche, daß sich ihr möglicher gesellschaftlicher Nutzen nicht von vornherein abschätzen läßt. Andernfalls wäre mindestens ein Teil der Sache schon bekannt, also nicht mehr Gegenstand dessen, was im emphatischen Sinn Forschung meint. Schließlich gibt es kaum Forschungsergebnisse, die als solche eindeutig und ausschließlich sozial förderlich sind, jede sozial schädliche Anwendung dagegen eo ipso ausschließen. Eher kann man sagen, daß neue Forschungsergebnisse eine neue Perspektive, eventuell sogar eine ganz neue Dimension von Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Dabei handelt es sich aber um eine Globallage, um ein Spektrum von Möglichkeiten, das nicht als solches sozial förderlich oder sozial schädlich ist. Erst die konkrete Nutzung oder Nutzungsrichtung entscheidet über die soziale Förderlichkeit oder Schädlichkeit.
Aufgrund solcher Überlegungen kann sich die wissenschaftliche Forschung ehrlicherweise nicht unmittelbar auf gesellschaftlichen Nutzen, sondern nur auf das berufen, was sie als solchen intendiert und leistet: eine Erweiterung der menschlichen Erkenntnis, deren positiver oder negativer Nutzen keineswegs von vornherein ausgemacht ist. Die Prämisse der ersten Verteidungsstrategie, der gesellschaftliche Nutzen, erscheint also als fragwürdig.
Überdies läßt sich die Kritik noch verschärfen. Selbst wenn man einmal probeweise die These des gesellschaftlichen Nutzens anerkennt, so gilt immer noch unter sittlicher Perspektive das Fairneßprinzip, nach dem die Vorteile und Lasten nicht auf verschiedene Schultern verteilt werden dürfen. Sofern der Nutzen wissenschaftlicher Forschung bloß im Erkenntniswert liegt, besagt das Fairneßprinzip: Man darf nicht den Vorteil, also die Erkenntnis, dem Forscher bzw. der Forschergemeinschaft, die Lasten der Erkenntnis aber, also das Tarnen, Täuschen, das Eindringen in die Privatsphäre, die Gefährdung usw., dem Gegenstand der Forschung, den Versuchspersonen übertragen. Selbst wenn man der wissenschaftlichen Forschung nicht nur einen Erkenntniswert sondern auch einen allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen zubilligt, so gilt doch, was die knappe Kritik des Utilitarismus gezeigt hat: Es ist sittlich illegitim, im Namen des größeren Kollektivwohls einigen Individuen besondere Lasten aufzubürden, hier: sie zum Gegenstand der bedenklichen Forschungspraktiken zu machen. Schließlich könnte man sogar utilitaristisch argumentieren: Die für jeden Menschen drohend Gefahr, zum Gegenstand der bedenklichen Forschungspraktiken zu werden, kann zu einem Vertrauensschwund gegenüber der Wissenschaft, sogar zu einem Vertrauensschwund gegenüber x-beliebigen Passanten führen, hinter denen sich ja Psychologen verbergen könnten, was die natürliche Offenheit der Menschen, die weitverbreitete Hilfsbereitschaft usw. beeinträchtigt, und dies gerade zum Schaden des allgemeinen Wohlergehens.