GUARANA
Ein erstaunliches „neues“ Tonikum
Auszug aus: „Journal Of Alternative And Complementary Medicine“
Autor: J. P. Scott, PhD. CertAC (Nanjing) MTAS, Mirom
Natürlich ist Guarana nicht wirklich neu, denn es ist eine Pflanze, die in den Regenwäldern des Amazonasbecken wächst, jedoch erst in den letzten hundert Jahren kultiviert wurde; anders als bei Ginseng, ist die Kulturpflanze noch sehr nah an der Wildform. Ich erwähne dies, weil es Ginseng ist, mit dem ich Guarana hier vergleichen möchte, denn es ist eines der großartigsten Heil- und Stärkungsmittel der Pflanzenwelt und, darüberhinaus, eines, das ganz besonders zu den Bedürfnissen der westlichen Welt paßt. Doch ist es im Westen relativ neu, denn erst seit den letzten sechs Monaten ist es hier frei erhältlich. Ginseng wird im Osten sehr verehrt und hat seine spezielle Wirkung bei körperlicher Arbeit. Im Westen hingegen stellen die wenigsten, mit der Ausnahme von Sportlern vielleicht, derart hohe Anforderungen an ihren Körper und wenn überhaupt, leiden sie eher an Bewegungsmangel als körperlicher Überbelastung. Damit will ich keinesfalls sagen, wir dürften nicht müde werden! Wir im Westen arbeiten natürlich genauso hart wie die Chinesen, doch unser Belastungszentrum ist das Nervensystem. Unsere Nerven stehen ständig unter Strom – zum Autofahren, um die Familie zu versorgen, Büroarbeit zu verrichten; und sie werden dauernd aufs höchste stimuliert – vom Fernsehen, von der schreiend bunten Werbung in den Städten, umgeben von einem kontinuierlichen Lärmpegel; und dies geht über die natürlichen Kapazitäten der Nerven hinaus und führt zu der Ermüdung, die wir im Westen kennen. In der Vergangenheit wurde diese Art von Müdigkeit Nebennieren-Erschöpfung genannt.
Wie wirkt Guarana?
In der Klassifikation der westlichen Heilpflanzenkunde ist Guarana ein Tonikum, ein mildes Stimulans und wirkt kühlend unter heißen Bedingungen. Es ist zu empfehlen in allen Fällen von Schwäche und Erschöpfung, physisch wie geistig. Darüberhinaus kann es wie Ginseng eingesetzt werden, um in Situationen, die besonders viel vom Körper verlangen, die Widerstandskraft zu erhöhen. Insbesondere ist es hilfreich um die geistige Ausdauer in Phasen lang anhaltender Geistesarbeit zu verbessern, z.B. bei langen Autofahrten oder Prüfungsvorbereitungen. Auch ist es ein sehr hilfreiches Tonikum für ältere Leute. Es eignet sich außerdem für die tägliche Einnahme auf regelmäßiger Basis.
In der Klassifikation der Chinesischen Medizin ist es meiner Einschätzung nach ein Tonikum des „Ying“, d.h. der Grundlagen der Konstitution. Es gibt also eine Stärkung sowohl für das Ying als auch für das Yang des Körpers; noch mehr, es kann in den „vollen“ wie auch in den „leeren“ Zuständen eingesetzt werden. So wird z.B. der rotgesichtige Patient, der von Ginseng Kopfschmerzen bekommt, die Vorzüge von Guarana spüren können, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.
In der westlichen Pharmakologie sieht man als aktive Substanz Guaranin an, ein Alkaloid, welches die Nebennierendrüsen stimuliert. Dies ist der Grund dafür, daß es so gut gegen Nebennieren-Erschöpfung wirkt. Es erklärt auch die Kontraindikation für Leute, im Zustand großer Angespanntheit aufgrund von emotionalem Streß, die sich also schon im „Kampf-oder-Flucht-Stadium“ befinden.
Heilmittel als „Mode-Droge“
Guarana schlägt Wurzeln im deutschen Nachtleben
Nur eine Modeerscheinung… Ohne Zweifel aber ist Guarana ein Verkaufsschlager für clevere Werbestrategen und findige Geschäftsleute. Verarbeitet zu Pulver, Kapseln, Limonade oder Schokoriegeln macht sich das coffeinreiche Pflanzenprodukt aus Südamerika in den Regalen von Naturkostläden, Getränkeshops und auf den Theken von Diskos und Szenekneipen breit.
Guarana wird gewonnen aus der in Brasilien und Venezuela heimischen Urwaldliane Paullina cupana. Die gerösteten Samen der Pflanze werden zerstoßen und mit Wasser zu einer Paste verrührt. In Wasser aufgelöst dient der getrocknete Brei dann als Anregungsmittel, mit dem schon die Indianer im Amazonasbecken Hunger und Müdigkeit unterdrückten.
Zwischen vier und acht Prozent Coffein enthält Guarana und damit weit mehr als Kaffee (Coffein-Anteil etwa ein Prozent). Annähernd sechs Stunden soll die Wirkung der aufputschenden Substanz anhalten.
„Topfit, wach und aktiv“ mache der „indianische Power-Drink“, verspricht ein Vertreiber von Guarana-Limonade in Hannover.
Weniger reißerisch beschreiben Wissenschaftler die Kraft des neuen Muntermachers. „Guarana wirkt im Grunde wie Kaffee oder schwarzer Tee“, meint Professor Wolfgang Poser von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Göttingen. Eine körperliche Abhängigkeit sei nicht zu befürchten. Das Bundesgesundheitsministerium ist der gleichen Meinung: Der pflanzliche Wachmacher fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.
„Bei Absetzen nach längerem Gebrauch wird ein Coffein-Entzugskopfschmerz beschrieben“, heißt es in der Zeitschrift „Pharmazie“. Analog zum Kaffeegenuß könnten hohe Dosen zu Ruhelosigkeit, Angst, Muskelzittern oder Herzrhythmusstörungen führen. Menschen mit Bluthochdruck, Herzkrankheiten oder chronischem Kopfschmerz sollten Guarana-Präparate deshalb meiden.
Die Nachtschwärmer in den Diskotheken werden sich von solchen Warnungen kaum abschrecken lassen.
Für sie ist Guarana ein willkommener Ersatz für gefährliche Labordrogen wie Extasy. „Wenn alle Guarana nähmen, wäre mir wohler“, sagt Hans Wellhörner, Toxikologe an der Medizinischen Hochschule in Hannover. Er sieht im Alkohol den größten Feind des Menschen.
Den Umsatzraten der Brauereien und der Spirituosen-Industrie aber wird Guarana nichts anhaben können. Viele Experten schätzen das indianische Heilmittel als „Mode-Droge“ ein. In der trendorientierten Jugendszene werde sie bald wieder in Vergessenheit geraten.
In der Tat blicken nicht alle Vertreiber von Guarana-Produkten so optimistisch in die Zukunft wie ein Essener Händler, der glaubt, die Nachfrage bald nicht mehr befriedigen zu können. Ein Anbieter aus Friedrichshafen will Guarana wieder aus dem Programm nehmen, „denn es ist ein Produkt, das sich nicht durchsetzen wird“.