Theanin – eine Verbindung besonderer Art im Tee
Einleitung
Die Verbindung Theanin fand bisher nur wenig Beachtung in der wissenschaftlichen
Literatur. Nicht nur der Geschmack des Tees wird maßgeblich durch diese Verbindung
beeinflusst. Theanin hat zudem einen Einfluss auf das Zentralnervensystem. Die wohltuende beruhigende Wirkung einer Tasse Tee ist auf diesen Wirkstoff zurückzuführen. Abhängig
von der Dosierung und dem Coffeingehalt im Tee, kann aber auch eine anregende Wirkung
erzielt werden.
Die Verbindung
Theanin ist ein Aminosäurederivat (gamma-Glutaminyl-Äthylamid), das J. Sakato
1950 in den Blättern der Teepflanze entdeckte.
Es wurde bisher ausschließlich in der Teepflanze nachgewiesen. Sakato synthetisierte und isolierte Theanin in reinem Zustand. Bei der Untersuchung der Verbindung wurde festgestellt, dass sie in Form von farblosen Nadeln kristallisiert und ihr Schmelzpunkt bei 217°C liegt.
Biosynthese und Vorkommen in der Teepflanze
In den Wurzeln der Teepflanze wird Theanin aus Glutaminsäure und Äthylamin synthetisiert, wobei Alanin die Vorstufe für den Äthylaminrest darstellt. Die Synthese erfolgt in dem sich neu entwickelnden, hellen Wurzelwerk, während in den älteren, lignifizierten (hölzernen) Wurzeln Arginin anstelle von Theanin gespeichert wird . Etwa 1,5 bis 2% der Blatttrockenmasse und 0,25 bis 0,3% des Stickstoffs entfallen auf Theanin.
Im Teeblatt macht es rund die Hälfte der freien Aminosäure aus. Mit Glutamin
und weiteren freien Aminosäuren bildet es den Nicht-Protein-Stickstoff-Pool (NPNPool)
der Pflanze. Theanin kommt in allen Teilen der Teepflanze vor. Bei der Keimung
von Teesamen ist nach 45 Tagen sein Gehalt in den Wurzeln am höchsten
Theanin scheint für die Teepflanze eine ähnliche Bedeutung zu haben wie Asparagin und
Glutamin für höhere Pflanzen. Sie sind am Transport und der Speicherung von Stickstoff
beteiligt. In der Knospe sowie dem ersten und zweiten Blatt ist der Theaningehalt
höher als in den älteren Blättern. Kalluszellen1 von Teepflanzen zeigen in einem Kulturmedium
ein verstärktes Zellwachstum und eine gesteigerte Theaninsynthese, wenn
dem Medium Nitrat und Äthylamin zugesetzt werden. Der Anstieg des Theaningehalts
lässt sich hauptsächlich durch die Zunahme der Zellwachstumsrate erklären
.
Sensorische Eigenschaften
Der typische Geschmack des grünen Tees stammt größtenteils von freien Aminosäuren,
die in den Blättern vorhanden sind. Darunter hat Theanin mengenmäßig die
größte Bedeutung. Es ist auch denkbar, dass Theanin die typische Note des grünen
Tees verstärkt. Die aromatische Bandbreite reicht von leichter, duftiger Süße über
rauchig, moosig bis hin zum Duft nach frischem Heu.
Welche Inhaltsstoffe das Aroma von grünem Tee beeinflussen, wurde durch die Gelfiltration
Sephadex G 75 gezeigt. Der duftige Geschmack nach frischem Heu ist demnach
auf den Aminosäuregehalt zurückzuführen, während sich die bittere und adstringierende 2
Komponente auf die Gehalte an Coffein bzw. Polyphenolen zurückführen lässt
Kallus: Gewebe, das an Wundrändern von Pflanzen durch vermehrte Zellteilung ent-
steht. zusammenziehende Wirkung
Physiologische Wirkungen von Theanin
Kimura hat bereits 1971 beobachtet, dass Theanin das Zentralnervensystem von Mäusen
beeinflusst. Eine Steigerung der Spontanaktivität der Tiere nach Coffeingaben
wurde gehemmt, wenn Theanin verabreicht wurde. Dieses Ergebnis wurde durch
neuere Studien bestätigt. Bei Untersuchungen an Ratten wurde festgestellt, dass eine
stimulierende Wirkung von Coffein bei einer in vivo Dosis von mehr als 5 µmol/kg KG
(1 mg/kg) eintritt, die encephalographisch (EEG) nachweisbar ist. Diese Dosis kann als
Grenzwert der Wirkung für Coffein als Stimulant angesehen werden. Dieser Effekt wird
durch die Gabe von mindestens 5 µmol/kg KG Theanin (0,78mg/kg) inhibiert. Wahrscheinlich
wirkt Theanin antagonistisch gegen die Coffeinstimulierung und zwar im
molaren Verhältnis. Andererseits löst eine kleinere in vivo Gabe von Theanin ohne
Coffein eine anregende Wirkung aus, d.h. Theanin kann – dosisabhängig – unterschiedlich
wirken.
Orale Gaben von Theanin an Ratten führten zu einer Abnahme des Gehalts an Serotonin
und zu einer Zunahme von Catecholaminen im Gehirn der Tiere .
Untersuchungen an Studentinnen haben gezeigt, dass Theanin auch bei Menschen
einen Einfluss auf das Zentralnervensystem hat. Die Aufnahme von Theanin konnte
das Wohlbefinden der Probandinnen verbessern. Die acht Probandinnen wurden nach
ihrem Verhalten (ängstlich bzw. nicht zu erschüttern) in zwei Gruppen eingeteilt und
encephalographisch untersucht. Gaben von 200mg Theanin in 100 ml Wasser führten
zur Ausbildung von alpha-aktiven Wellen in Hinterhaupt- und seitlichen Scheitel-
Bereichen. Die Intensität der Wellen war bei den ängstlichen Personen viel ausgeprägter
als bei den weniger ängstlichen. Aufgrund dieser Ergebnisse wird die Möglichkeit
diskutiert, Theanin als „beruhigende“ Komponente Lebensmitteln oder Getränken
zuzusetzen.
Ein weiterer Effekt ist die Hemmung der Lipidperoxidation von LDL. Diese erfolgt in
einem Modellsystem hauptsächlich durch die Polyphenolfraktion im grünen Tee. Einen
deutlichen, jedoch weit schwächeren antioxidativen Effekt besitzt Theanin, während
Coffein keine antioxidative Wirkung zeigt.
Schlussbemerkung
Theanin ist auf unterschiedliche Weise am hohen Genusswert des Tees beteiligt. Der
typische Tee-Geschmack wird unter anderem durch das Theanin hervorgerufen. Zudem
ist es für die wohltuend beruhigende oder sanft belebende Wirkung des Tees verantwortlich.
Literatur:
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